Eine Unruheprovinz als Labor der Welt

Der Hausruck ist eine Hügelkette im Alpenvorland Österreichs. Mit einer Länge von etwa 30 km gehört der Hausruckwald zu den größten zusammenhängenden Waldgebieten Europas. Das Klima ist rau und niederschlagsreich. Die mittlere Windgeschwindigkeit ist relativ hoch und liegt bei 2–3 m/sec, Windwürfe treten deshalb bei Frühjahrs- und Herbststürmen regelmäßig auf. Der Hausruck setzt sich vornehmlich aus Schlier und Schotter zusammen. Es gibt Vorkommen an Braunkohle, Erdöl- und Erdgas.

Grenz-,Bauern -, Religions- und Weltkriege prägten die Region im Norden Österreichs genauso wie die Revolte der Bergarbeiter und der Aufstand eines Asylwerbermädchens. Seit jeher präsentiert sich die Region Hausruck als Unruheprovinz. Ein idealer Nährboden für ein eminent politisches Künstlerkollektiv namens THEATER HAUSRUCK.

THEATER ALS BOHRSONDE

 

Hinter dem Theater Hausruck steht ein offener Kreis engagierter Menschen, die sich einem politischen Theater als Auseinandersetzung mit zentralen gesellschaftlichen Fragen und ihren regionalen Ausprägungen verschrieben haben. Der Überzeugung folgend, dass Theater aktuell und beweglich sein muss und sich nicht auf vorgegebene Themen, Formen, Spielorte oder Traditionen festlegen lassen darf.

 

Theaterarchäologie

Seit seiner ersten Produktion im Jahr 2005 besticht das Theater Hausruck durch eine detaillierte, nahezu archäologische Herangehensweise an den Stoff, den es jeweils erzählt. Die Vorrecherche ist dabei stets umfangreich und langfristig angelegt, Hintergründe werden erforscht, Zusammenhänge gesucht, lokale Gegebenheiten vor dem Hintergrund historischer Ereignisse und globaler Zustände betrachtet. So gräbt das Theater Hausruck Geschichten aus, die sich stets entlang des schmalen Grates zwischen Realität und Fiktion bewegen.

 

Theater als multi- und interdisziplinäre Versuchsanordnung

Die Projekte des Theater Hausruck überschreiten die Grenzen konventionellen Theaters. Sie beziehen Kunstformen wie Film, Performance, Literatur sowie den wissenschaftlichen und politischen Diskurs mit ein und nutzen multimediale Ausspielwege, insbesondere Social Media, um auch eine event-ungebundene Rezeption zu ermöglichen.

Regionale Partizipation und detaillierte Dokumentation

Das Fundament des Theater Hausruck bildet seit jeher das Zusammenwirken vieler Menschen, die mit dem Hausruck in irgendeiner Form verbunden sind. Die Menschen der Region werden als Zeitzeugen Teil der Geschichte, zählen zum großen Darstellerteam aus Laien und Theaterprofis oder unterstützen die Theaterproduktionen bei den zahlreichen Organisationsarbeiten. Einen großen Stellenwert nimmt auch die Dokumentation der Projekte ein. Alle Produktionen mitsamt ihren Vorarbeiten werden umfangreich und professionell in Videos, Bild, Ton und Schrift festgehalten.

Das Prinzip.

Das THEATER HAUSRUCK ist nicht nur eine polarisierende, politische Initiative, es ist auch ein mehrfach ausgezeichnetes Modellprojekt für gesellschaftliche Partizipation und Publikumseinbindung. Vom ersten Tag an wurden die Hausrucker Töchter und Söhne aufgerufen sich einzubinden und mitzumachen. Um die Akteure auf die Projekte vorzubereiten, wurden und werden in Workshops oft ein ganzes Jahr lang Texte geprobt, die historischen Ereignisse, die damaligen Lebenswelten und ihre Charaktere von den DarstellerInnen verinnerlicht. Der Erfolg basiert nicht zuletzt auf den grandiosen Leistungen der DarstellerInnen – Profis wie Laien. Die Zusammenarbeit namhafter SchauspielerInnen mit spielfreudigen Menschen aus der Region imponierte nicht nur dem Publikum, sondern bewirkt in diesem hochprofessionellen Theaterumfeld auch eine Qualifizierung der LaienakteurInnen.

Anders formuliert: THEATER HAUSRUCK steht für angewandte Kunstvermittlung, die weit über das Niveau typischer Sommertheaterunterhaltung hinausgeht. Das betrifft auch die Einbindung regionaler Musikschaffender (Komposition der Theatermusiken durch den ortsansässigen Musiker Rupert Schusterbauer und Live-Darbietung durch regionale Ensembles) und Theaterbegeisterter (Dramaturgie, Mitarbeit Bühnenbau, Bühnenbild, Maske und Kostüm).

Der Kunstvermittlungs-Ansatz des THEATER HAUSRUCK ist ein bewusst inkludierender:

Jugendliche, Erwachsene, SeniorInnen, Menschen mit Behinderung entwickeln und tragen die Produktionen in bedeutendem Ausmaß mit. Hier vollzieht das THEATER HAUSRUCK Pendelbewegungen zwischen Realität und Fiktion, zwischen Gegenwart und Vergangenheit, Mahnmal und Volksstück. Vor und hinter den Kulissen stemmen sich Akteure mit politischem Bewusstsein gegen das Vergessen, betätigen sich gleichsam als BildhauerInnen und formen eine soziale Plastik, die trotz oder wegen ihrer bewusst regionalen Verankerung internationales Aufsehen hervorruft. Sie setzten 2005 einen vibrierenden Dynamo in Gang, der bis 2010 nicht nur einen Strom von 36.000 BesucherInnen erzeugte, sondern auch regionalwirtschaftlich wichtige Impulse gegeben hat.

Der Erfolg der Theaterproduktionen gründet auf einer peniblen zeithistorischen Recherche und der Aufbereitung des Materials für die öffentliche Diskussion. So  wird zu jeder Produktion eine filmische Dokumentation produziert, in der der politische und historische Kontext des jeweiligen Stückes aufgerollt, die Bearbeitung durch das THEATER HAUSRUCK sowie das Making-Of der theatralen Umsetzung dokumentiert werden.

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